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Quelle 42
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Vorgang des Ministeriums der geistlichen Unterrichts- und Medicinal-Angelegenheiten
Description / General note
„U lV No. 5184 Sekret. Berlin, den 13. August 1890
Der hiesige Verlagsbuchhändler Franz Lipperheide hat am 7. März d.J. das in Abschrift ganz ergebenst beigefügte Schreiben gerichtet, in welchem er den Wunsch äußert, die in seinem Besitz befindliche bedeutende kostümwissenschaftliche Sammlung nach seinem und dem Ableben seiner Frau in den Besitz des Staates geschenkweise übergehen zu lassen. Der Staat soll die Sammlung längstens ein Jahr nach diesem Zeitpunkt übernehmen und in würdiger, der öffentlichen Besichtigung des Publikums zugänglichen Weise zur Ausstellung zu bringen.
Die in letzterer Beziehung gestellten Bedingungen hat H. Lipperheide meinem Referenten gegenüber mündlich dahin erläutert:
Er verlangt oder erwartet nicht, daß für die Sammlung ein eigenes Gebäude hergestellt werde. Er ist vielmehr damit einverstanden, daß Sie im Zusammenhang einer größeren Anstalt, am liebsten des Kunstgewerbemuseums aufgestellt und verwaltet werde.
2. Er ist damit einverstanden, daß wenn die Umstände dies nothwendig machen, die Sammlung zunächst miethweise untergebracht wird, wo möglich in der Nähe des Kunstgewerbemuseums; er setzt aber voraus, das sie künftig in einem Staatsgebäude Aufnahme findet.
3. Er erwartet, das die Sammlung als solche zusammenbleibt und zur Benutzung gestellt wird und daß die Räume, welche zu ihrer Aufbewahrung bestimmt werden, die Bezeichnung der Lipperheide‘schen Sammlung erhalten und auch dann bewahren, wenn die Sammlung durch Einfügung jetziger Bestände des Kunstgewerbemuseums und künftiger aus öffentlichen Mitteln gemachten Erwerbungen erheblich erweitert werden sollte.
Nach einem über die Sammlung von mir eingeholten Gutachten der Direktion des Kunstgewerbemuseums ist dieselbe nach der bibliographischen Seite hin als die bedeutendste Sammlung zu bezeichnen, welche auf diesem Gebiet existiert. Seit vielen Jahren sind für dieselbe ohne jede Rücksicht auf die Kosten alle älteren und neueren Werke angeschafft, welche überhaupt erreichbar waren. Es befinden sich hierunter nicht nur alle Werke, welche im Speziellen sich mit Kostümgeschichte beschäftigen, sondern auch die kunsthistorisch kunstgewerblichen und kulturhistorischen Inhalts, welche theilweise das Kostüm behandeln, sowie jegliche Art von Werken aus deren Abbildungsmaterial die Kenntnis des Trachtenwesens einen Zuwachs erhalten kann. –
Nach dieser Richtung hin sind auch die seltenen und kostbaren Holzschnittbücher des XVI. Jahrhunderts gesammelt, die Werke des Jost Ammann und Genossen und ähnliche sittengeschichtliche Werke aller Zeiten. Den geschlossenen Werken schließt sich die in noch weiterem Maßstab angelegte Kupferstichsammlung von nahezu 15 000 Blättern an. Dieselbe umfaßt nach tausenden Originalblätter in Kupferstich, Holzschnitt und Radierung aus dem XVI. und XVII. Jahrhundert, darunter ein außerordentlich umfangreiches Material an Porträts, historischen und sittengeschichtlichen Blättern, aber auch Darstellungen aus der Legende, wenn auf ihnen einzelne Figuren in der Tracht der Zeit erscheinen.
Bemerkenswerth ist ferner der Theil der Sammlung, welcher in Modezeitungen, Kalendern u.s.w. die Modebewegung der letzten hundert Jahre in übersichtlicher historischer Anordnung und einer anderswo nicht erreichten Vollständigkeit umfaßt.
Die 675 Gemälde und der verwandte Bestand von Miniaturen und Wachsbossierungen erhebt nicht den Anspruch höheren künstlerischen Werthes, enthält aber interessantes, zum Theil wichtiges und künstlerisch gut dargestelltes Material zumeist aus dem XVII. und XVIII. Jahrhundert. Mit dem gegenwärtigen Besitzstand des Kunstgewerbemuseums deckt sich die Lipperheide‘sche Sammlung, deren Schwerpunkt, wie erwähnt, in ihrem bibliographischen Theil liegt, nur im Bereich der neueren im Buchhandel ohne Weiteres erreichbaren Kostümwerke, dagegen ist von dem eigentlich werthvollen Stock älterer Werke und Einzelblätter in dem Museum bisher noch so gut wie nichts vorhanden. Der Erwerb dieser Sammlung würde daher für das Kunstgewerbemuseum, dessen Bibliothek sie anzugliedern wäre, von einer in der That hervorragenden Bedeutung sein. Nach den angestellten Ermittlungen würde für die Aufstellung der zur Sammlung gehörigen gedruckten Werke und Einzelblätter ein Raum von der Größe des jetzigen Lesesaales der Bibliothek des Kunstgewerbemuseums, also von 18 Meter Länge und 9 Meter Breite genügen. Das freie Aufhängen sämmtlicher Gemälde an der Wand würde an sich ziemlich bedeutenden Platz beanspruchen, da es aber zulässig sein wird, die Aufstellung der ganzen Sammlung einschließlich der Bücher p.p. In 2 Sälen von zusammen etwa 320 qm Grundfläche bei einer Höhe von 6–7 Meter sich voraussichtlich ausführen lassen. Der angemessenen Aufstellung der Sammlung stehen dieser besondere Schwierigkeiten nicht entgegen und ich erlaube mir deshalb Ew. Excellenz ganz ergebenst zu ersuchen, sich geneigtest damit einverstanden erklären zu wollen, daß die von H. Lipperheide in Aussicht gestellte Schenkung seiner kostümwissenschaftlichen Sammlung als annehmbar bezeichnet zu werden, wobei es weiterer Verhandlung vorzubehalten sein wird, ob H. Lipperheide die Schenkung von Todeswegen schon jetzt vollzieht oder sich etwa eine entsprechende testamentarische Bestimmung vorbehält. Schließlich erlaube ich mir noch ganz ergebenst mitzuteilen, daß mir soeben ein Bericht der Generalverwaltung der Museen zugegangen ist, in welchem dieselbe den Antrag stellt, den östlich an das Kunstgewerbemuseum angrenzenden Theil des Kriegsministerialgartens, welcher durch Verlängerung der Zimmerstraße von dem Hauptgrundstück abgeschnitten werden wird, dem genannten Museum für den Anbau einer Bibliothek und einer Unterrichtsanstalt zur Verfügung zu stellen. Ich bin im Begriff, über diesen Antrag, in welchem zugleich die Bedürfnisse der Sammlung Lipperheide erörtert sind, mich mit dem Herrn Minister für Handel und Gewerbe in Verbindung zu setzen und darf mir eine weitere Mittheilung hierüber noch vorbehalten.
In Vertretung, Barkhausen
[Randnotiz auf den Seiten 1 und 2:]
An den königl. Staats- und Finanz Minister Herrn Dr. Miquel.
1. zu den Akten
2. Mit dem am Schlusse der Vorlage gedruckten zu gewärtigenden Vorschlag * wegen Herstellung eines besonderen Gebäudes für die Unterrichtsanstalten des Kunstgewerbemuseums
Berlin, den 21. September 1890“
Der hiesige Verlagsbuchhändler Franz Lipperheide hat am 7. März d.J. das in Abschrift ganz ergebenst beigefügte Schreiben gerichtet, in welchem er den Wunsch äußert, die in seinem Besitz befindliche bedeutende kostümwissenschaftliche Sammlung nach seinem und dem Ableben seiner Frau in den Besitz des Staates geschenkweise übergehen zu lassen. Der Staat soll die Sammlung längstens ein Jahr nach diesem Zeitpunkt übernehmen und in würdiger, der öffentlichen Besichtigung des Publikums zugänglichen Weise zur Ausstellung zu bringen.
Die in letzterer Beziehung gestellten Bedingungen hat H. Lipperheide meinem Referenten gegenüber mündlich dahin erläutert:
Er verlangt oder erwartet nicht, daß für die Sammlung ein eigenes Gebäude hergestellt werde. Er ist vielmehr damit einverstanden, daß Sie im Zusammenhang einer größeren Anstalt, am liebsten des Kunstgewerbemuseums aufgestellt und verwaltet werde.
2. Er ist damit einverstanden, daß wenn die Umstände dies nothwendig machen, die Sammlung zunächst miethweise untergebracht wird, wo möglich in der Nähe des Kunstgewerbemuseums; er setzt aber voraus, das sie künftig in einem Staatsgebäude Aufnahme findet.
3. Er erwartet, das die Sammlung als solche zusammenbleibt und zur Benutzung gestellt wird und daß die Räume, welche zu ihrer Aufbewahrung bestimmt werden, die Bezeichnung der Lipperheide‘schen Sammlung erhalten und auch dann bewahren, wenn die Sammlung durch Einfügung jetziger Bestände des Kunstgewerbemuseums und künftiger aus öffentlichen Mitteln gemachten Erwerbungen erheblich erweitert werden sollte.
Nach einem über die Sammlung von mir eingeholten Gutachten der Direktion des Kunstgewerbemuseums ist dieselbe nach der bibliographischen Seite hin als die bedeutendste Sammlung zu bezeichnen, welche auf diesem Gebiet existiert. Seit vielen Jahren sind für dieselbe ohne jede Rücksicht auf die Kosten alle älteren und neueren Werke angeschafft, welche überhaupt erreichbar waren. Es befinden sich hierunter nicht nur alle Werke, welche im Speziellen sich mit Kostümgeschichte beschäftigen, sondern auch die kunsthistorisch kunstgewerblichen und kulturhistorischen Inhalts, welche theilweise das Kostüm behandeln, sowie jegliche Art von Werken aus deren Abbildungsmaterial die Kenntnis des Trachtenwesens einen Zuwachs erhalten kann. –
Nach dieser Richtung hin sind auch die seltenen und kostbaren Holzschnittbücher des XVI. Jahrhunderts gesammelt, die Werke des Jost Ammann und Genossen und ähnliche sittengeschichtliche Werke aller Zeiten. Den geschlossenen Werken schließt sich die in noch weiterem Maßstab angelegte Kupferstichsammlung von nahezu 15 000 Blättern an. Dieselbe umfaßt nach tausenden Originalblätter in Kupferstich, Holzschnitt und Radierung aus dem XVI. und XVII. Jahrhundert, darunter ein außerordentlich umfangreiches Material an Porträts, historischen und sittengeschichtlichen Blättern, aber auch Darstellungen aus der Legende, wenn auf ihnen einzelne Figuren in der Tracht der Zeit erscheinen.
Bemerkenswerth ist ferner der Theil der Sammlung, welcher in Modezeitungen, Kalendern u.s.w. die Modebewegung der letzten hundert Jahre in übersichtlicher historischer Anordnung und einer anderswo nicht erreichten Vollständigkeit umfaßt.
Die 675 Gemälde und der verwandte Bestand von Miniaturen und Wachsbossierungen erhebt nicht den Anspruch höheren künstlerischen Werthes, enthält aber interessantes, zum Theil wichtiges und künstlerisch gut dargestelltes Material zumeist aus dem XVII. und XVIII. Jahrhundert. Mit dem gegenwärtigen Besitzstand des Kunstgewerbemuseums deckt sich die Lipperheide‘sche Sammlung, deren Schwerpunkt, wie erwähnt, in ihrem bibliographischen Theil liegt, nur im Bereich der neueren im Buchhandel ohne Weiteres erreichbaren Kostümwerke, dagegen ist von dem eigentlich werthvollen Stock älterer Werke und Einzelblätter in dem Museum bisher noch so gut wie nichts vorhanden. Der Erwerb dieser Sammlung würde daher für das Kunstgewerbemuseum, dessen Bibliothek sie anzugliedern wäre, von einer in der That hervorragenden Bedeutung sein. Nach den angestellten Ermittlungen würde für die Aufstellung der zur Sammlung gehörigen gedruckten Werke und Einzelblätter ein Raum von der Größe des jetzigen Lesesaales der Bibliothek des Kunstgewerbemuseums, also von 18 Meter Länge und 9 Meter Breite genügen. Das freie Aufhängen sämmtlicher Gemälde an der Wand würde an sich ziemlich bedeutenden Platz beanspruchen, da es aber zulässig sein wird, die Aufstellung der ganzen Sammlung einschließlich der Bücher p.p. In 2 Sälen von zusammen etwa 320 qm Grundfläche bei einer Höhe von 6–7 Meter sich voraussichtlich ausführen lassen. Der angemessenen Aufstellung der Sammlung stehen dieser besondere Schwierigkeiten nicht entgegen und ich erlaube mir deshalb Ew. Excellenz ganz ergebenst zu ersuchen, sich geneigtest damit einverstanden erklären zu wollen, daß die von H. Lipperheide in Aussicht gestellte Schenkung seiner kostümwissenschaftlichen Sammlung als annehmbar bezeichnet zu werden, wobei es weiterer Verhandlung vorzubehalten sein wird, ob H. Lipperheide die Schenkung von Todeswegen schon jetzt vollzieht oder sich etwa eine entsprechende testamentarische Bestimmung vorbehält. Schließlich erlaube ich mir noch ganz ergebenst mitzuteilen, daß mir soeben ein Bericht der Generalverwaltung der Museen zugegangen ist, in welchem dieselbe den Antrag stellt, den östlich an das Kunstgewerbemuseum angrenzenden Theil des Kriegsministerialgartens, welcher durch Verlängerung der Zimmerstraße von dem Hauptgrundstück abgeschnitten werden wird, dem genannten Museum für den Anbau einer Bibliothek und einer Unterrichtsanstalt zur Verfügung zu stellen. Ich bin im Begriff, über diesen Antrag, in welchem zugleich die Bedürfnisse der Sammlung Lipperheide erörtert sind, mich mit dem Herrn Minister für Handel und Gewerbe in Verbindung zu setzen und darf mir eine weitere Mittheilung hierüber noch vorbehalten.
In Vertretung, Barkhausen
[Randnotiz auf den Seiten 1 und 2:]
An den königl. Staats- und Finanz Minister Herrn Dr. Miquel.
1. zu den Akten
2. Mit dem am Schlusse der Vorlage gedruckten zu gewärtigenden Vorschlag * wegen Herstellung eines besonderen Gebäudes für die Unterrichtsanstalten des Kunstgewerbemuseums
Berlin, den 21. September 1890“
In: GStA Rep. 151C Nr 8251_Nr. 8251 fol 68v, 8 Seiten
P108 was produced by
1890-08-13