Zur Weiterentwicklung des “cognition support”: Sammlungsvisualisierungen als Austragungsort kritisch- kulturwissenschaftlicher Forschung
Interfaces und Methoden der Informationsvisualisierung dienen insbesondere in Bezug auf abstrakte und komplexe Gegenstände der Unterstützung, Verstärkung und Augmentierung der menschlichen Kognition (Arias-Hernandez et al., 2012). Sammlungen des kulturellen Erbes (Galerien, Bibliotheken, Archive und Museen) sind Paradebeispiele für solche komplexen Gegenstände: sie organisieren und bereiten tausende Objekte auf und stellen diese gemeinsam mit assoziierten Informationen für Forschung und Öffentlichkeit bereit. Viele dieser Sammlungen sind mittlerweile digitalisiert im Netz zugänglich, womit lokale Sammlungs-Interfaces und große Aggregatoren zu Portalen von neuen Informationsräumen werden, in denen Kultur erlebbar und verhandelbar wird. Ausgangspunkt unseres Vortrags ist eine aktuelle Studie zu Sammlungsinterfaces, die Methoden der Informationsvisualisierung nutzen um kognitive Operationen wie Exploration, Navigation und Analyse auf verschiedenen Ebenen einer Sammlung zu unterstützen. Im Vortrag werden wir einige der durch die Studie gewonnenen Erkenntnisse vertiefen und die Frage ins Zentrum stellen, wie Visualisierungsinterfaces auch jene kognitiven Operationen fördern können, die im kulturwissenschaftlichen Kontext als “kritische” tradiert werden. Analog zu existierenden Definitionen (vgl. Jaeggie & Wesche, 2009; Foucault, 1990; und Butler, 2001) verstehen wir Kritik als jene Form der Kognition, die einen Gegenstand – und das ihn konstituierende Forschungssystem – in seiner Umwelt kontextualisiert und einer Bewertung unterzieht. Dabei bündelt die Operation i) analytisches und exploratives Wissen über Struktur und Dynamik ihres Gegenstands, ii) eine Bewertung im Sinne einer differenzierten Vermessung von Aktualität und Potentialität des Gegenstands, iii) eine Offenlegung und Argumentierung der instrumentalisierten Maßstäben und Normen, sowie oftmals eine iv) Ableitung von Handlungsoptionen zur (Selbst)berichtigung und (Selbst)Steuerung des fokussierten und des fokussierenden Systems. Mit direktem Bezug auf Fragestellungen des Calls entwickeln wir ein Analyseschema, um dieses Potenzial für Visualisierungssysteme zu kulturellen Sammlungen zu erkunden und diskutieren Designstrategien, um entsprechende Funktionen zu stärken.